Technologie

Vorbemerkung

In ländlichen Regionen ist es oftmals aufgrund der geringen Bevölkerungsdichte und größerer Distanzen zwischen dem Patientenwohnort und der nächstgelegenen spezialisierten Fachklinik nicht möglich, qualitativ und vor allem zeitnah eine leitlinienkonforme Versorgung sicherzustellen. Das bedeutet praktisch, dass betroffene Patienten bei einer Behandlung in regionalen Kliniken durch einen nicht oder zu spät erkannten Schlaganfall – mit einer anschließend notwendigen Verlegung, bei der nochmals viel Zeit vergeht – ein schlechteres Outcome haben als bei einer Behandlung in spezialisierten Kliniken. Hier sind telemedizinische Verfahren unter Nutzung von elektronischen Technologien sehr gut geeignet, um eine spezialisierte neurologische Expertise schnellstmöglich in Kliniken ohne Neurologie – bzw. ohne eine rund um die Uhr verfügbare Neurologie – zur Verfügung zu stellen. Damit kann die telemedizinisch unterstützte Versorgung von Patienten bei dem am häufigsten auftretenden ischämischen Schlaganfall wohnortnah und vergleichbar zu der eines spezialisierten Zentrums sichergestellt werden. In Deutschland wurden in den letzten Jahren in allen Bundesländern telemedizinisch unterstützte Schlaganfallnetzwerke aufgebaut.
Die Anwendung von Telemedizin beinhaltet technisch immer die Herstellung einer temporären oder permanenten Verbindung von medizinischen IT-Systemen, die zum synchronen oder asynchronen Austausch von elektronischen Daten zur Unterstützung von Diagnostik und Therapie genutzt werden. Für die Verbindung in Schlaganfallnetzen werden breitbandige, in der Regel dedizierte, symmetrische Zugänge aller Systeme zu einem nichtöffentlichen, verschlüsselten VPN-Netz für die Zentren sowie die Kooperationskliniken benutzt. Außer diesen Verbindungen werden schließlich für die Anwendung geeignete und hochverfügbare Telemedizinsysteme benötigt, die gerade unter Notfallbedingungen zuverlässig funktionieren. Wesentlicher Bestandteil der Teleneurologie ist die schnellstmögliche Übertragung von CT-, CTA- oder MRT-Aufnahmen betroffener Patienten in digitaler Form für die Betrachtung durch die neurologischen Fachexperten. Zunehmend werden CT-Angiografien bei Patienten übertragen, die für eine mechanische Thrombektomie in Frage kommen könnten. Schließlich ist die gesamte telekonsilarische Behandlung aus formalrechtlichen und Abrechnungsgründen zu dokumentieren. Abschließend wird ein Telekonsil-Befundbrief vom Zentrum elektronisch an die periphere Klinik geschickt und dort abgelegt.
Auf der Patientenseite kommt ein mobiles Telemedizinsystem (VIMED® TELEDOC) zum Einsatz, dass als Medizinprodukt in unmittelbarer Nähe zum Patienten eingesetzt werden kann. Eine stationäre Einheit (VIMED® DOC) ermöglicht dem spezialisierten Neurologen im Zentrum alle für seine Entscheidungen wichtigen Informationen zum Patienten schnell und sicher abzurufen und durch die Verwendung eines Dreimonitorsystems auch gleichzeitig darzustellen. Schließlich kann vom Arzt zum Patienten eine audiovisuelle Verbindung zu seinen Kollegen und dem Patienten aufgebaut werden. Dies ermöglicht es einem Neurologen gemeinsam mit dem Arzt vor Ort eine Anamnese und Bewertung des Zustandes des Patienten anhand der aufgetretenen Symptome vorzunehmen. Die körperliche Untersuchung des Patienten durch den lokalen Arzt wird vom Neurologen telemedizinisch begleitet und anhand einer international anerkannten Stroke-Skala bewertet. Nach erfolgter diagnostischer Bewertung spricht der Neurologe eine Therapieempfehlung aus.
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Telemedizinsysteme VIMED® TELEDOC und VIMED® DOC, © MEYTEC
Eine auf die Bedürfnisse aller ärztlichen Teilnehmer zugeschnittene, modulare und an die Gegebenheiten und Anforderungen angepasste webbasierte Dokumentation, mit der sich hoch performant und sicher alle wichtigen Patientendaten schnell und problemlos erfassen, für die weitere Bewertung heranziehen und später auch darstellen lassen, ist zentraler Bestandteil des Projektes ANNOTeM. Aus der Dokumentation lassen sich durch die angelegten Datensätze Behandlungsempfehlungen sicher für die kooperierenden Kliniken ableiten. Die Dokumentation folgt den für teleneurologische Konsile angelegten SOPs.
Das EEG (Elektroenzephalogramm) dient in der klinischen Neurologie als diagnostisches Verfahren. Darüber hinaus kommt das EEG auch bei wissenschaftlichen und experimentellen Fragestellungen zum Einsatz.

Eine Besonderheit des EEGs ist die Möglichkeit der Echtzeit-Ableitung, die die Beurteilung eines paroxysmalen Ereignisses und dessen differenzialdiagnostischen Einordnung, möglich macht. Allerdings ist eine EEG-Verfügbarkeit in der Regel nur werktags gewährleistet. Darüber hinaus setzt die Ableitung eines EEGs entsprechende Kenntnisse und Personal voraus.
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Im Rahmen des ANNOTeM-Projektes wird durch Einsatz sogenannter Trockenelektroden-EEG-Hauben (ANT Neuro, waveguard touch) untersucht, ob diese im Vergleich zum konventionellen EEG einfacher und schneller zu handhaben sind und dadurch auch die EEG-Verfügbarkeit rund um die Uhr gewährleistet werden kann. Das abgeleitete EEG wird telemedizinisch über die oben genannten Endstellen übertragen und vom neurologischen Tele-Konsil-Arzt an seinem Tischsystem ausgewertet. Vor allem stellt sich die Frage, ob durch diesen innovativen Ansatz differentialdiagnostisch ein nonkonvulsiver Status epilepticus diagnostizieren lässt.

Schließlich wird die Möglichkeit berücksichtigt, nach einer epileptischen Notfallbehandlung die weitere reguläre Behandlung der Epilepsie-Patienten in der regionalen Klinik durch das einbezogene Epilepsiezentrum telemedizinisch zu betreuen.

Lieferung, Installation und Support der telemedizinischen Systeme erfolgt durch den Konsortialpartner MEYTEC GmbH Informationssysteme aus Brandenburg.

Annotem Netzwerk / Telemedizintechnik